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Umwelt und Finanzmarkt – die unwahrscheinliche, aber notwendige Erfolgsgeschichte des 21. Jahrhunderts

Philipp Kleiner dazu, ob die Finanzwirtschaft eine Lösung der Klimakrise sein sollte, und wie das gelingen kann



Der Finanzmarkt – häufig wahrgenommen als global und anonym – hat es in den Augen unserer Gesellschaft nicht leicht, als wertvolle, geschweige denn sinnstiftende Institution angesehen zu werden. Die zyklisch wiederkehrenden Finanzkrisen und die Betitelung des Finanzmarkts als unmoralisch handelndes „Monster“ durch den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler haben dieses Bild zementiert. Gleichzeitig sieht sich die Menschheit mit dem Klimawandel und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen einer Aufgabe gegenüber, deren Lösung nicht nur hochgradig komplex, unbequem und langwierig sein wird, sondern überdies mit enormem finanziellem Aufwand einhergeht. Allein für Europa geht die Europäische Kommission von einem zusätzlichen Investitionsbedarf von ca. 260 Mrd. Euro jährlich bis zum Jahr 2030 aus.

 

Dass ausgerechnet der Umwelt- und Klimaschutz dem Finanzmarkt zum Comeback als zweckdienliche Institution verhelfen könnte, erscheint angesichts dieser Ausgangslage einerseits wie eine ziemlich unwahrscheinliche Entwicklung, andererseits als einzige Möglichkeit, die gesellschaftliche Pariastellung des Finanzmarkts neu zu verhandeln. Wenn wir unser Umwelt- und Klimaproblem ernst nehmen und den Finanzmarkt ideologiefrei als Mittel und globalen Hebel zur Lenkung von Finanzkapital verstehen, ist er der Schlüssel zur Bewältigung dieser Menschheitsaufgabe. Aus ehemaligen Antipoden würden Gefährten.

 

Hier kommt auch die Rechtswissenschaft ins Spiel: Sie muss klare und strenge Regeln aufstellen, damit der Finanzmarkt im Dienst der Umwelt und des Klimas Milliarden in Wirtschaftstätigkeiten lenkt, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützen und verbessern, statt sie zu verschlechtern. Umwelt- und Finanzmarktrecht müssen zusammen neu gedacht werden. Dieses Projekt ist auch deshalb so reizvoll, weil es einen interdisziplinären Diskurs zwischen der Ökologie, der Volks- und Finanzwirtschaftslehre sowie der Rechtswissenschaft voraussetzt; weil es ein wahrlich globales Projekt ist, das nur im internationalen Schulterschluss gelingen kann und weil sogar jeder einzelne imstande ist, daran mitzuwirken.

 

Mit mehr ökologischem Bewusstsein, das sich in unseren Anlageentscheidungen widerspiegelt, können wir dafür sorgen, dass unser eigenes Geld Umwelt- und Klimaschutz befördert. Dabei ist es der besondere Charme dieses Themas, dass Finanzmarkt und Umweltschutz sogar rückblickend als natürliche Gefährten in die Geschichte eingehen könnten: Rendite und Umweltschutz sind schon heute keine Widersprüche mehr. So gibt es jeden Grund, das Verhältnis unserer Gesellschaft zu ihrem Finanzmarkt neu zu schreiben: als ehemals unwahrscheinliche, aber heute unbedingt notwendige Erfolgsgeschichte für einen wirksamen Klima- und Umweltschutz.


Philipp Kleiner (Jg. 2013) ist Alumnus der Bucerius Law School aus dem Jahrgang 2013 und wissen­schaft­licher Mitarbeiter sowie Doktorand im Öffentlichen Recht am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der regulatorischen Be­gleitung der ökologischen Transformation der Finanz­märkte.


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