Meinhard Weizmann: Interview mit dem neuen Geschäftsführer
Meinhard Weizmann ist seit dem 1. Oktober 2016 Nachfolger von Hariolf Wenzler als Geschäftsführer der Bucerius Law School. Gemeinsam mit der Präsidentin, Frau Professorin Boele-Woelki, wird er die Hochschule künftig führen. Beide haben viele Jahre in den Niederlanden gelebt und gearbeitet. Im Gespräch mit dem GERD trägt auch Meinhard Weizmann zur „Stapeling-Challenge“ bei und spricht bei einer Partie Jenga über die Zukunft der Hochschule, die Zusammenarbeit mit dem Alumni-Verein und darüber, welche Erfahrungen er aus den Niederlanden mitbringt.
Herr Weizmann, Sie sind jetzt seit fünf Tagen im Amt. Wie ist Ihre Bilanz?
(lacht) Ich habe vor allem bisher eine gute Quote von Freizeit zu Arbeitszeit. Von den ersten fünf Tagen waren ja drei Wochenende und Feiertag.
Wie sind Ihre ersten Eindrücke von den anderen beiden Tagen?
Vieles hat meine Eindrücke bestätigt, die ich von außen gewonnen habe: Es ist ein sehr dynamisches, positives und freundliches Umfeld.
Wie war Ihr Bild von der Bucerius, bevor Sie Ihr Amt angetreten haben?
Ich war im Vorfeld einmal „undercover“ auf dem Campus und habe ein aktives, aufgeschlossenes Miteinander erleben können. Aber schon zuvor habe ich von Herrn Professor Thüsing Positives von der Law School gehört – er war ein früherer Kollege von mir bei Bertelsmann.
Hätten Sie sich damals vorstellen können, einmal im Hochschulmanagement tätig zu sein?
Nein. Die Bucerius stand nicht auf der Liste meiner potenziellen Arbeitgeber. Aber als ich über einen Personalberater auf die Bucerius gekommen bin und sie ein bisschen besser kennengelernt habe, habe ich schnell gemerkt: Bucerius ist genau mein Ding – hier passe ich hin.
Warum genau „passt“ die Bucerius zu Ihnen?
Ich glaube, dass ich viele Erfahrungen aus meinem beruflichen Hintergrund hier sehr gut einbringen kann. Ich war beispielsweise acht Jahre lang Geschäftsführer eines mittelgroßen Zeitschriftenverlags in den Niederlanden. Die Medienbranche ist wegen der Digitalisierung in einem großen Transformationsprozess und so war es erforderlich, unser Geschäftsmodell auf digitale Füße zu stellen. Das hat mich sehr beschäftigt in den letzten Jahren und ich glaube, das sind Erfahrungen, die sehr relevant für die Bucerius sind.
Wo sehen Sie sonst Ähnlichkeiten zwischen dem Management eines Verlags und einer Hochschule?
Da fällt mir spontan die Position des Chefredakteurs in einem Zeitschriftenverlag ein, der so ähnlich wie ein Professor eine sehr unabhängige Position hat – auch hier gibt es eine gewisse Ähnlichkeit mit der Unabhängigkeit, die sich im Bereich der Lehre und Forschung ergibt. Daneben steht im Verlag die Verlagsdirektion – an der Bucerius vergleichbar mit der kaufmännischen Geschäftsführung.
Sie sind Nachfolger des dienstältesten Geschäftsführers. Hariolf Wenzler hat der Hochschule zehn Jahre vorgestanden. Ist das für Sie auch eine Last?
Es sind ohne Zweifel große Fußstapfen, in die ich trete, aber es ist gleichzeitig auch ein sehr gut bestelltes Haus mit vielen sehr engagierten Mitarbeitern, die mir den Einstieg leicht gemacht haben.
Sie haben einen niederländischen Hintergrund, wie auch Frau Professorin Boele-Woelki. Sprechen Sie mit ihr Niederländisch?
Das war bei unserem ersten gemeinsamen Abendessen in der Tat der Fall. Das verbindet natürlich.
Wie waren Ihre Erfahrungen in den Niederlanden? Was davon wird Ihnen in Ihrer neuen Aufgabe besonders hilfreich sein?
In den Niederlanden gibt es den „can do-Spirit“, dort werden eher die Chancen gesehen als die Schwierigkeiten. Außerdem herrscht ein informeller Umgangston und flache Hierarchien sind verbreitet – also Vorgesetzte, die nicht qua Schulterklappen führen, sondern qua Überzeugungskraft. Ich bin es gewohnt und empfinde es als bereichernd, wenn ich von Mitarbeitern, den Studenten oder natürlich den Alumni immer wieder herausgefordert werde.
Frau Professorin Boele-Woelki ist seit einem Jahr Präsidentin der Hochschule, Sie beginnen jetzt. Ist diese doppelte Neuaufstellung eine Chance oder birgt sie auch Risiken?
Das ist sicher eine besondere Chance, denn damit sind in der Hochschulleitung zwei neue Personen „an Bord“, die etwas bewirken und die Hochschule weiterbringen wollen. Deswegen war es auch sehr wichtig, dass Katharina Boele-Woelki beim Auswahlprozess mit dabei war und wir früh einen engen Austausch über die Perspektiven der Hochschule hatten.
Wie war Ihr erster Eindruck von Frau Professor Boele-Woelki?
Ich habe mich natürlich sehr über Ihren niederländischen Hintergrund gefreut und wir hatten direkt einen sehr guten „Klick“ miteinander.
Frau Professorin Boele-Woelki hat gesagt, es gehe darum, sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen, sondern die Hochschule weiterzuentwickeln. Was hat die Hochschule aus Ihrer Sicht bisher erreicht?
Die Fakten liegen auf dem Tisch: Die Hochschule hat ein sensationelles Ranking in der Hochschulwelt, sie ist die prominenteste Jurafakultät Deutschlands und hat sehr engagierte Studenten, die exzellente Resultate liefern – jedes Jahr wieder aufs Neue.
Wie ist Ihr Blick auf die Alumni?
Die Alumni gehen weg wie warme Semmeln – wenn man das so sagen darf. Sie können sich Ihren Arbeitgeber aussuchen. Mich persönlich interessiert aber natürlich auch sehr, wie sich der weitere Karriereweg der Alumni entwickelt, ob der nicht auch überdurchschnittlich erfolgreich verläuft. Die ersten Alumni sind Partner in Kanzleien, eine beträchtliche Anzahl der Absolventen streben in verschiedene Institutionen wie die Justiz oder das Auswärtige Amt. Ich finde dabei bemerkenswert, dass an der Bucerius gesagt wird: Wir wollen gerade nicht den typischen Karrieristen. Die Bucerius sucht die, die sich für die Gesellschaft einsetzen wollen, die mehr wollen als nur die Karriere. So sehe ich mich auch selbst und das hat mich sehr angesprochen, als ich die Hochschule kennengelernt habe.
Haben Sie mit Ihrem Blick von außen schon erste „eingefahrene Wege“ an der Hochschule erkennen können, die vielleicht mittlerweile nicht mehr genügend hinterfragt werden?
Das ist natürlich immer die Chance derer, die von außen reinkommen. Einerseits kann man die Art und Weise, wie gearbeitet wird, hinterfragen und man kann auch hinterfragen, ob alles das, was wir machen, auch weiterhin so erhalten bleiben muss. Das wäre etwas, was mir aufgefallen ist, nämlich, dass es eine unglaubliche Vielfalt an Aktivitäten gibt, die in dieser Hochschule angeboten und betrieben werden. Das prägt einerseits den „Bucerius-Spirit“, aber es muss immer wieder auch Momente geben, in denen man innehält und fragt: Passt das alles zu uns oder muss man vielleicht manche Dinge stoppen, um uns neuen Dingen zuwenden zu können?
Denken Sie da schon an etwas Konkretes?
Das wird sich zeigen müssen. Um ein Beispiel zu nennen: Hochzeiten im Gossler Haus zu organisieren ist jedenfalls nicht unser Kerngeschäft.
Und in welchen Bereichen kann man die Hochschule noch weiterentwickeln?
Da gibt es ja bereits Pläne, die von der Präsidentin verfolgt werden. Ich werde mir daneben anschauen, was man vielleicht auf Verwaltungsebene effizienter und moderner organisieren kann. Dann muss natürlich das große „Buzzword-Thema“ Digitalisierung in all seinen Facetten in den Blick genommen werden.
Wo sehen Sie hier inhaltlich das größte Potenzial der Hochschule im Bereich „Digitalisierung“?
Hier gibt es einerseits Infrastruktur-Themen im Bereich der Ausstattung der Hochschule, dann gibt es Prozessthemen auf Verwaltungsebene und dann als drittes großes Feld die Frage: Wie verändert sich eigentlich unsere Lehre in diesem Bereich? Unsere Studenten müssen sich schließlich auf die Veränderungen einstellen, die der Bereich der Digitalisierung in der Arbeitswelt auslöst. Wie man darauf das Curriculum anpassen kann, das wird eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre sein.
In diesem Bereich hat der Alumni-Verein durch Einrichtung des Videostudios versucht, einen ersten Impuls im Bereich E-Learning zu setzen.
In der Tat, hier hat sich der Alumni-Verein sehr engagiert. Aus der Medienbranche weiß ich, wie wichtig, aber auch anspruchsvoll es ist, bewegte Inhalte zu kreieren. Die Studenten heute erwarten diese Inhalte. Die Professoren scheinen dieser neuen Technik – mit Verlaub – unterschiedlich offen gegenüberzustehen. Man muss sich auch sehr genau anschauen, wie man E-Learning im Einzelnen einsetzen kann. Da muss man Verschiedenes ausprobieren – und das muss man gemeinsam mit den Studenten und den Dozenten machen.
Vergleichen Sie sich hier mit Angeboten anderer Hochschulen oder ist es besser, sich mehr auf sich selbst zu konzentrieren?
Ich denke immer, wenn man zu sehr auf den Wettbewerb schaut, dann macht man sich abhängig. Man muss sich letztlich aus seiner eigenen Kraft heraus entwickeln, und das hat die Bucerius Law School in den letzten 16 Jahren exzellent gemacht.
Schauen wir weiter auf die Bucerius Law School. Wie sehen Sie die Bucerius Law School international aufgestellt?
Ich denke, es ist herausragend, dass es 95 Partnerhochschulen bei 116 Studenten in einem Jahrgang und einen verpflichtenden Auslandsaufenthalt gibt. Hier muss man den Blick aber auch auf die Integration der anderen Bereiche lenken; wie etwa das MLB-Programm und die Summer Schools. Wie erfüllend der Austausch mit anderen Kulturen ist, sieht man regelmäßig auf den Fotos, die unsere Studenten aus aller Welt auf der Facebook-Seite der Hochschule posten.
Sie sprechen die Facebook-Seite der Hochschule an. Neben der Außendarstellung der Hochschule auf Facebook wird die Außendarstellung seit einiger Zeit parallel auch von dem studentischen Projekt „Lawsome“ mit einer eigenen Facebook-Seite betrieben. Bedarf es hier mehr Koordination, einer Außendarstellung „aus einer Hand“?
Ein bisschen Anarchie ist auch mal gut. Es gibt ja eine Vielzahl an Facebook-Seiten der Law School. Und Lawsome finde ich klasse! Ich finde aber auch die Champions Trophy mit ihren Videos super und könnte unzählige weitere Beispiele nennen – nehmen Sie nur die „Schirming-Aktion“ des Alumni-Vereins. Das sind alles Sachen, die passieren einfach. Es ist auch gut, dass sie passieren. Wenn sie manchmal nicht ganz zur offiziellen Corporate Identity passen, dann macht das nichts. Das zeigt doch in bester Weise den Bucerius-Spirit.
Was macht den Bucerius-Spirit für Sie aus?
Bei meiner Amtseinführung hat Frau Boele-Woelki den Bucerius-Spirit mit dem Dreiklang „Exzellenz, Gemeinschaftssinn und Mut“ umschrieben. Das Wichtigste ist – glaube ich – der Mut. Das bewundere ich bei der ganzen Geschichte unserer Hochschule und dieser Mut ist auch von unserem Stifter Gerd Bucerius vorgelebt worden.
Das Motto des Alumni-Vereins lautet „Bucerius Spirit Beyond Campus“. Hatten Sie schon Kontakt zu Alumni und haben Sie diesen Spirit auch entdecken können?
Ja, ich habe Mitglieder des Alumni-Vereins bei Herrn Wenzlers Abschied, bei meiner Amtseinführung in der Handelskammer und bei der Hansewiesn als sehr präsent wahrgenommen. Ich bin beeindruckt, wie engagiert selbst Alumni aus dem Gründungsjahrgang noch sind.
Wie ist Ihr erster Eindruck vom Alumni-Verein?
Ich habe eine große Identifikation und Anteilnahme an der Entwicklung der Hochschule wahrgenommen, die ich sehr besonders finde. Denn die Alumni sind mehr als ein Netzwerk, sie sind auch unsere Botschafter in die Welt der Juristen hinein. Das können wir mit dem Hochschulmarketing gar nicht erreichen.
Was wünschen Sie sich vor diesem Hintergrund von dem Alumni-Verein?
Viel erwähnt sind der kritische Dialog und der Blick von außen auf die Hochschule. Aber ich möchte Sie auch gern ermutigen, sich so stark wie bisher und vielleicht noch ein bisschen mehr für unsere Hochschule „nach draußen“ zu engagieren. Die Kommunikation gegenüber Ihren Arbeitgebern ist für uns von unschätzbarem Wert. Die Bekanntheit unserer Hochschule auch im süddeutschen Raum zu verstärken, ist ein weiterer Punkt.
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit uns Alumni bestenfalls vor?
Da fangen wir heute doch schon sehr gelungen an. Wir werden nach diesem Interview ein gemeinsames Abendessen mit dem Alumni-Vorstand haben. Ich stehe dem Alumni-Verein mehr als offen gegenüber. Wenn sich Alumni – trotz aller anderen privaten und beruflicher Verpflichtungen – für die Hochschule Zeit nehmen, können wir uns sehr glücklich schätzen.
Herr Weizmann, zum Abschluss geben wir Ihnen immer drei Begriffe vor und bitten Sie, diese für uns zu „stapeln“, also in eine Reihenfolge nach absteigender Priorität zu bringen. Nennen Sie uns also immer den für Sie wichtigsten Begriff zuerst:
Fußballvereine: „…auch wenn es mir leid tut für Ajax.“
- 1. FC Nürnberg
- HSV
- Ajax Amsterdam
Hamburger Kulturangebot: „…auch wenn ich weiß, dass ich damit hier nicht populär werde, aber das macht nichts.“
- Elbphilharmonie
- Thalia Theaer
- Staatsoper
Elbe, Alster oder Ostsee? (lacht)
- IJsselmeer
Akteure an der Hochschule: „…weil die Alumni dafür bestimmt Verständnis haben.“
- Studentenvertretung
- Betriebsrat
- Alumni-Verein
Orte auf dem Campus: „…muss ich so sagen.“
- Coffee-Lounge
- Mensa
- Professoren-Lounge
Wochenmagazine: „…da muss ich nicht lange nachdenken.“
- Stern
- Spiegel
- Focus
Meinhard Weizmann:
- geboren 1970 in Nürnberg, verheiratet, drei Kinder
- Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Würzburg sowie an der IAE Université de Caen (Frankreich)
- 10/1997 bis 03/2000: Tätigkeit für Shell (SAP Implementation)
- 04/2000 bis 08/2002: Corporale Development für die Bertelsmann AG
- 09/2002 bis 02/2004: Corporate Finance bei der Gruner + Jahr AG & Co. KG
- 03/2004 bis 12/2006: Director Business & Strategy für Gruner + Jahr International
- 01/2007 bis 08/2014: Chief Operating Officer bei Gruner + Jahr Uitgevers (NL)
- 10/2014 bis 09/2016: Senior Vice President (Finance Transformation) bei der Bertelsmann SE & Co. KGaA)
- seit 10/2016: Chief Executive Officer (CEO) der Bucerius Law School
Martin Hejma (Jg. 2004)
Rolf-Peter Karner (Jg. 2001)
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