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Einen Ruf in der Hand zu halten, ist unbeschreiblich

Ein Gespräch mit Professor Paul Krell, Professorin Paulina Starski und Professor Jens Prütting über deren Erfahrungen im Rahmen der ersten Berufung



An einem frühen Abend Ende August haben sich Professor Paul Krell, Professorin Paulina Starski-Lutoborski und Professor Jens Prütting zu einem Gespräch über Durchbrüche und Fortschritte in der Wissenschaft im digitalen Rahmen getroffen. Alle drei erhielten im Laufe des letzten Jahres ihren ersten Ruf auf eine Vollprofessur.

 

Krell: Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch, Paulina! Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen und ich habe noch gar nicht gratuliert, weil ich auch nicht besonders gut darin bin, dies obligatorischen E-Mails zu schreiben. Aber ich freue mich sehr. Jens, du und ich, wir haben uns ja gratulieren können, aber wir hatten uns vorgenommen, darauf anzustoßen. Wir hatten uns vorgenommen, das machen wir bis Ende Mai.

 

Starski: Dann machen wir das doch Ende September. Und ich stoße auch mit dazu und mit an.

 

Krell: Ja gerne! (alle lachen)

 

Prütting: Ich glaube, das nimmt jetzt eine völlig falsche Wendung…

 

Lassen Sie uns gerne mit einem Thema des diesjährigen GERDs* einsteigen: Was war der für Sie letzte Durchbruch? Und zwar ganz unabhängig davon, ob Sie an Ihre Karriere oder an eine allgemeine Beobachtung in Ihrem Leben denken.

 

Starski: Ein Durchbruch. Schwierig. Ich hadere noch mit dem Begriff und versuche ihn mit Substanz zu füllen. Aber vielleicht wäre dies in meinen Augen so eine Sache, bei der ich gedacht habe: „Ja, das ist gut.” Und das ist jetzt (leider) direkt etwas Fachliches: Ich habe mich lange Zeit mit dem Amtshaftungsanspruch und der Amtshaftung im Kontext von extraterritorialen militärischen Auslandseinsätzen auseinandergesetzt. Der BGH war in diesem Punkt eindeutig: „Nein. Auf gar keinen Fall findet der Amtshaftungsanspruch in diesem Kontext Anwendung.”

 

Jüngst gab es dann den Versuch einer Verfassungsbeschwerde. Diese wurde vom Bundesverfassungsgericht zwar nicht zugelassen, sehr gefreut hat mich aber, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich feststellte, der Amtshaftungsanspruch müsse grundrechtskonform ausgelegt werden und erfasse Auslandshandeln – auch in militärischen Kontexten. In einem Nebensatz wurde ein genau dahin argumentierender Beitrag von einem Kollegen vom MPI und mir dazu zitiert. Das hat mich sehr gefreut – nicht, weil ich Erwähnung fand, sondern weil es mir in der Sache so wichtig gewesen ist. Ein kleiner „Durchbruch“ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

 

Prütting: Wie Paulina eingangs richtig sagte, ist der Begriff Durchbruch mehrdeutig. Wenn man von Durchbrüchen auf der Karriereleiter spricht, dann glaube ich, haben wir alle ziemlich aufgeatmet, als die Habilitationsschrift durch war oder als man zum Juniorprofessor berufen worden ist. Das gilt insbesondere für die Wissenschaftskarriere, wo es meist nach dem Motto läuft: “Hier hast du eine kurze Befristung und danach bist Du wieder auf der Straße. Fertig.“ Diese Momente, wo sich alles etwas verstetigt, sind häufig karrieretechnisch kleine, wenn auch bedeutende Meilensteine.

 

Starski: Da bin ich vollkommen bei dir. Das Gefühl, das erste Mal einen Ruf in der Hand zu halten, ist wirklich unbeschreiblich und es fällt unfassbar viel Druck ab. Die wissenschaftliche Karriere, so schön sie ist, hängt zuvor die ganze Zeit gewissermaßen in der Luft; belastet von Ungewissheiten. Vor diesem Hintergrund war der Ruf auf jeden Fall ein außerordentlich wichtiger Moment in meinem Leben.

 

Krell: Ich würde den Begriff Fortschritt dem des Durchbruchs vorziehen, weil es eben die kleinen Fortschritte sind. Das ist jetzt wahrscheinlich wieder die Fachkrankheit der Juristen, aber ich würde differenzieren zwischen Fortschritten im formellen und im materiellen Sinne, die für mich in ganz unterschiedlicher Weise glücklich machen. Die formellen Fortschritte sind die, die ihr zuletzt erwähnt habt. Ich finde den materiellen Fortschritt in der Forschung fast noch schöner. Zwischen Lesephasen, Nachdenkphasen und Schreibphasen gerät man manchmal in einen Teufelskreis aus Lesen und Nachdenken und man kommt nicht so wirklich weiter. Das kennen einige bestimmt aus ihrer Promotion. Wenn man diesen Teufelskreis auf die eine oder andere Weise durchbricht, ist das für mich das schönste Gefühl, auch wenn natürlich die formellen Fortschritte letztlich wichtiger sind.

 

Prütting: Ich möchte noch kurz auf das Feld der materiellen Durchbrüche hinweisen. Paul hat das wunderbar vorsortiert. Wenn man ernsthaft über materielle Durchbrüche diskutiert, dann sollten wir uns eine Sekunde darüber klarwerden, was Rechtswissenschaft ist. Wir sind eine Konsens-, keine Konvergenz-Wissenschaft. Will heißen: es funktioniert nicht wie in der Physik, Mathematik oder Biologie. Wir müssen uns überlegen: „Welche Art von Wissenschaft betreiben wir jeweils?“ Und der klassische Rechtswissenschaftler – so wird es uns alle drei typischerweise im Alltag treffen – schaut sich natürlich gegebene Gesetze, gegebene Rechtslagen an, analysiert diese, schaut, ob er einen guten Gedanken beifügen kann, und so weiter. Da sind Durchbrüche im Vergleich wahnsinnig schwer. Zumindest wenn sie ernsthafte Größe erreichen und das Wort Durchbruch ihnen angemessen sein soll. Ansonsten wird man tatsächlich, genau mit Paul, „Fortschritt” sagen.


Professor Paul Krell:

2004-2009: Studium in Osnabrück und Konstanz

2011: Zweites Staatsexamen

2011-2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mannheim (erst bei Professor Dr. Björn Burkhardt, dann bei Professor Dr. Jens Bülte)

2014: Promotion („Untreue durch Stellenbesetzungen“)

2015-2021: Juniorprofessor für Strafrecht an der Bucerius Law School

seit April 2021: Lehrstuhlinhaber für Strafrecht in der globalsiierten und digitalisierten Risikogesellschaft an der Bucerius Law School


Und wie fühlt sich ein Fortschritt dann an? Oder ganz konkret: Wie haben Sie Ihren jeweiligen Ruf erlebt? Wie war Ihre unmittelbare Reaktion?

 

Prütting: Es ist nicht ganz leicht, damit völlig offen zu sein, weil... Es gibt die erzählensfähigen und die nicht erzählensfähigen Erlebnisse. (Lachen) Also, ich bin vom Kommissionsvorsitzenden angerufen worden, der die Entscheidung der Berufungskommission in seiner perfekt sachlichen Art ganz straight ausführte. Und ich dachte einfach nur noch: „Alles klar. Perfekt!“ Aufgelegt, losgerannt und hab hier irre Sprünge durchs Haus gemacht. Ja, das muss ziemlich bescheuert ausgesehen haben. Die unfassbare Erleichterung bei meiner Frau zu sehen, war vielleicht der extremste Eindruck. Sie hatte sich da so mit mir hineingesteigert, dass ihr, glaube ich, ein größerer Stein vom Herzen fiel, als mir.

 

Krell: Ja, das wäre natürlich in der Tat eine fantastische Gelegenheit für Anekdoten. Es ist nur leider so, dass man die die Besten davon vielleicht nicht erzählen kann. Eine ganz, ganz schöne Geschichte kann ich vielleicht trotzdem erzählen: Der Tag, an dem der Akademische Senat darüber beschlossen hat, mir den Ruf zu erteilen, war auch der Tag, an dem meine Freundin ihre mündliche Promotionsprüfung hatte. Dann zog sich die Senatssitzung allerdings in die Länge. Ich war da zunächst zwar ganz entspannt. Aber langsam fingen sich die mündliche Prüfung und die Senatssitzung an zu überlappen und dann gab es in Pandemie-Zeiten hier im doppelten Homeoffice sehr viel Chaos. Als es sich immer weiter zog, fing ich doch an, ein bisschen nervös zu werden. Und ich glaube das zählt zu den Anekdoten, die man erzählen darf, bis ich dann irgendwie eine WhatsApp bekam: „Wunder dich nicht. Wir haben einfach technische Schwierigkeiten mit diesen Abstimmungen.“ Als das dann alles durch war – und während die mündliche Promotionsprüfung lief – habe ich mir einen Whisky aufgemacht.

 

Wie nimmt Ihr Umfeld Ihren Erfolg wahr?

 

Prütting: Ich habe einen nicht juristischen und einen juristischen Freundeskreis. Die beiden berühren sich nur sehr selten. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie sich wechselseitig irgendwie nicht verstehen. Der nicht juristische Kreis, der feiert einen ausschließlich für die Titel. Und wenn man dann davon aber zu viele sammelt, heißt es: „Du bist schräg.“ Bei dem juristischen Kreis muss man zwischen Praktikern und Wissenschaftlern unterscheiden. Die einen sagen: „Was, ihr mit eurem Wissenschaftskram. Das will doch im Prinzip keiner lesen. Wir Praktiker, wir machen das anders.“ Dabei ist nichts praktischer als eine gute Theorie. Die familiäre Seite ist bei mir irgendwie etwas absurd, weil da sind es nunmal einfach relativ viele, die genau das machen. Die haben im Prinzip fast die identische Wahrnehmung wie ich gehabt. Die fanden die Promotion toll, die fanden das Staatsexamen toll, die fanden die Professur toll.

 

Krell: Alle aus meinem Umfeld, die wissen, wie der Wissenschaftsbetrieb funktioniert, haben von sich aus gesagt: „Ich war total erleichtert zu hören, dass das jetzt geklappt hat.“ Während bspw. meine Großmutter oder mein Onkel gesagt haben: „Ja, war doch eh klar. Du macht das ja so, da muss was bei rumkommen.“ übersehen wird da schnell, dass das keine Selbstverständlichkeiten sind. „Qualität setzt sich halt immer durch”, sagte ein befreundeter Staatsanwalt zu mir. Aber das ist ein Allgemeinplatz, wenn man bedenkt, dass wir uns in der Wissenschaft in einem Umfeld bewegen, wo jeder Lebenslauf irgendwie einschüchternd ist und alle tolle Examina vorweisen können und Preise gewonnen haben. Zwar kennen die meisten, die, wie ich, aus einer Nicht-Juristen-Familie kommen, wie es ist, jemandem erklären zu wollen, dass 12 Punkte ein prima Ergebnis sind, auch wenn das sechs weniger sind, als es hätten sein können. Die ernsthafte Erleichterung aber, die mit den bisher genannten Fortschritten einhergeht, das kann man nicht erklären.

 

Starski: Ich erinnere mich da an viele Gespräche, die ich während meiner Lehrstuhlvertretungen an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Uni Köln aber auch in Freiburg geführt habe. Da habe ich oft gehört: „Ja Frau Starski, bei Ihnen wird das doch werden. Ist doch ein Selbstläufer. Geben Sie doch einfach mal das Buch ab! Natürlich kriegen Sie einen Ruf.“ Das hat mich innerlich aufgeregt, weil es den harten Weg diskreditiert, der bis dahin zu gehen ist und zu dem Zeitpunkt noch zu gehen war. Unzählige Arbeitsschritte und Stationen lagen da noch vor mir und wir wissen alle, dass wir nicht wirklich beeinflussen können, ob und wenn ja, wie viele Lehrstühle zu welchem Zeitpunkt frei werden – gerade im Europa- und Völkerrecht erschien die Landschaft zu dem Zeitpunkt „abgegrast“.

 

Ist Karriere in der Rechtswissenschaft etwas anderes, weil der Markt hier noch härter ist und weil er noch stärker umkämpft ist?

 

Starski: Ich würde sagen: „Teils teils.“ In der Situation, wie sie sich mir darstellt, ist nicht gesichert, dass jede exzellente Person einen Lehrstuhl in Deutschland bekommen wird. Dieser strukturellen Knappheit von Stellen steht man mit einer gewissen Ohnmacht gegenüber.

 

Krell: Ich finde, Demut ist immer etwas ganz Wichtiges. Man muss bedenken, dass man als Rechtswissenschaftler*in verhältnismäßig gut dran ist. Die Fallhöhe ist nicht besonders hoch. Für mich war immer sicher, dass ich als Staatsanwalt oder Richter glücklich geworden wäre. Das sind Berufe, die ich sehr spannend finde und die auch gewisse Vorzüge haben. Noch dazu ist die Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Praxis sehr hoch. Ich kenne auch ganz viele Praktiker*innen in der Rechtswissenschaft, die große Beiträge zur Rechtswissenschaft leisten.

 

Prütting: Ich finde das spannend, was Paul sagt. Ich bin nebenbei Anwalt und mache das sehr gerne, gerade weil ich – Gott sei Dank – meinen Platz in der Wissenschaft gefunden habe. Ich wollte immer Wissenschaftler sein und es hätte extrem weh getan, wenn das nicht geklappt hätte. Da bin ich ganz ehrlich.

 

Starski: Auf jeden Fall. Ich war im Referendariat immer am glücklichsten, wenn ich einen fundierten Aktenvermerk verfassen konnte. Erwarteten Anwälte von mir zwei Seiten, kamen zumeist 15, weil da eben noch die Monographien aus den 20er Jahren hervorgeholt wurden. Dieser „Forschungsdrang“ war irgendwie ganz natürlich bei mir.

 

Prütting: Letztendlich muss man sagen, in der Rechtswissenschaft – ich kann Paulina hier nur zustimmen – haben wir ein hartes Feld. Wir haben ein sehr umkämpftes Feld. Aber diese Situation, dass jemand kein Verständnis dafür aufbringt, dass man hier eben auch sehr, sehr kämpfen muss, die erlebe ich hier mit Abstand am meisten. Verständnis für die Leute aufbringen, die noch keinen sicheren Platz haben, das haben wir in der Juristerei tatsächlich erstaunlich wenig.


Professorin Paulina Starski:

Law School-Jahrgang 2001

2007-2013: Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Professor Dr. Axel Kämmerer

2013: Zweites Staatsexamen und Promotion („Der interföderale Verwaltungsakt“)

2014-2020: Habilitandin an der Law School („The Unwilling or Unable State as a Challenge to International Law“)

und Senior Research Fellow / Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

2017-2020: Gastforschungsaufenthalte in New York, Sydney und Melbourne sowie Lehrstuhlvertretungen in Köln, Berlin und Freiburg

seit Dezember 2020: Universitätsprofessorin für Öffentliches Recht und Global Governance an der Universität Graz


Haben Sie auch scheinbare Durchbrüche erlebt, die sich hinterher als Trugschluss erwiesen haben?

 

Starski: Das hatte ich sehr häufig während des Verfassens der Habilitationsschrift. Gerade bei so einem Mammutwerk hat man mitunter Leerlauf-Tage in Sachen Substanz und Erkenntnis. Da schreibt man so vor sich hin und füllt die Tage mit scheinbarer Produktivität. Doch auch dies ist Teil des wissenschaftlichen Reflexionsprozesses. Es hilft dann, sich zu fragen: „Was ist die eigentliche Forschungsfrage meiner Arbeit? Wozu schreibe ich hier jetzt eigentlich?” Man braucht Fokus.

 

Prütting: In meiner Doktorarbeit habe ich einen großen Reinfall mit der Rechtsvergleichung erlebt. Ich habe für sechs Monate in Kanada geforscht und in der Zeit 70, 80 druckreife Seiten zum kanadischen Medizin- und Gesundheitsrecht geschrieben. Als ich die Seiten später noch einmal las, fand ich sie vergleichsweise so schlecht, dass ich diesen Teil nie veröffentlicht habe. Für den Moment habe ich gedacht: „Oh man, vielleicht ist Wissenschaft ja doch nicht meins.“ Rückblickend war mir das eine wichtige Lehre, dass ich an Probleme analytischer und selbstkritischer herangehen sollte.

 

Krell: Ich glaube, diese vermeintlichen Durchbrüche, die gibt es in verschiedenen Formen und Schattierungen. Das, was Paulina jetzt beschrieben hat, das kennt sicher jede und jeder, dass man einfach Seiten füllt. Das würde ich aber nicht als Durchbruch bezeichnen. Das ist dann vielleicht nochmal ein gutes Beispiel dafür, dass man zwischen Durchbruch und Fortschritt unterscheiden sollte. Überflüssige Seiten zu füllen, das ist vermeintlicher Fortschritt. Auch wenn man bemerkt, dass diese Seiten die eigene Arbeit keinen Schritt weiterführen, tut es weh, sie zu löschen. Die extremste Form des Vermeintlichen ist für mich, wenn man zunächst denkt, man habe eine wirklich gute, weiterführende Idee und muss dann feststellen, dass es da einen Denkfehler gibt oder die Idee doch nicht weiter führt. Oder, was mir auch relativ häufig passiert, eine gute Idee zu haben, die ich für neu halte und dann früher oder manchmal auch sehr viel später zu merken, dass das irgendwo im Archiv in Vergessenheit geraten ist.

 

Starski: Ja, in der Tat. Wenn man nur lange genug sucht, findet man. Aber nichtsdestotrotz, denke ich, kann man so auch seine eigene Stimme finden und dann eine eigene wissenschaftliche Position dazu vertreten. Forschungsperspektiven sind zumeist singulär.

 

Jetzt kommen Sie alle in Positionen, wo Sie auch die Außensicht einnehmen dürfen. Wie bewerten Sie die Fortschritte von Studierenden und Doktorand*innen?

 

Krell: Zu Beginn fand ich es sehr unangenehm, andere zu bewerten. Ich bin praktisch von meiner eigenen Doktorprüfung auf die Juniorprofessur gerutscht; ich habe den Ruf und meine Promotionsurkunde am selben Tag bekommen. Und dann war ich ganz frisch hier und Thomas Rönnau sprach mich wegen eines Zweitgutachtens für eine Doktorarbeit an. Da habe ich mich schon gefragt: „Kann ich das überhaupt schon angemessen?”

 

Starski: Ich versuche, Studierende sehr, sehr ernst zu nehmen und ihre Darlegungen auch dementsprechend zu benoten. Ich bin bekannt für meine sehr langen Voten. Ich glaube aber, das schuldet man den Studierenden, die sich über eine lange Zeit mit einem Thema auseinandersetzen und eigene Gedanken hierzu entfalten. An der Law School bin ich Mitglied der Kommission, die den Promotionspreis vergibt. Die Doktorarbeiten, die ich dort bewerte, sind alle exzellent. Da noch zu differenzieren, ist wirklich sehr anspruchs- und verantwortungsvoll. Und eine Habilitation habe ich noch nicht betreut. Ich warte noch auf den die erste Habilitandin bzw. den ersten Habilitanden, die bzw. der das „Wissenschaftswagnis“ mit Frau Starski einzugehen bereit ist.

 

Die abschließende Frage, die sich uns stellt, ist, was jetzt (noch) kommen soll. Haben Sie mit dem Ruf nicht schon alles erreicht?

 

Starski: Im Gegenteil. Man hat mit der Qualifikationsstufe jetzt eine gewisse Sicherheit erreicht und wird viel mutiger. Und jetzt machen Wissenschaft und Forschung wirklich richtig Freude. Ich frage mich einfach: „Was will ich erforschen?“ Für mich ist es viel entspannter geworden, weil es mich weniger beschäftigt, wie meine Arbeit in der  Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Ich fühle ich mich so wie ein kleines Kind im Spielwarenladen und sehe, was man mit Rechtswissenschaft und mit Recht alles machen kann.

 

Prütting: Das sehe ich genauso. Aus meiner Sicht muss die Wissenschaftswelt aber ein wenig von dem hohen Forschungs- und Publikationsdruck loskommen. Wenn wir etwas richtig Gutes entwickeln wollen, dann sind wir nicht alle Mozart. Wir können nicht sofort den Stift aufs Papier setzen und brillieren, sondern manche von uns müssen dafür sogar arbeiten. In den seltensten Fällen ist der Durchbruch die Leistung des Einzelnen. Wie schon gesagt kann man im Team viel mehr erreichen. Dann kommt ein Doktorand oder ein Studierender in der Vorlesung auf eine tolle Idee und irgendwann kommt man an den Punkt, dass das Ganze zusammen ein schönes Bild ergibt. Und deswegen, würde ich nicht sagen, dass wir hier von einem Ende sprechen – das ist erst der Anfang!

 

Das heißt, wir können uns noch auf etwas gefasst machen! Vielen Dank für das Gespräch.


Professor Jens Prütting:

2004-2008: Studium Universität Köln

2009-2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinrecht der Universität Köln (Professor Dr. Christian Katzenmeier)

2013: Zweites Staatsexamen und Promotion („Rechtliche Aspekte der Tiefen Hirnstimulation“)

2014-2015: Tätigkeit als Rechtsanwalt und Gründung eigener Kanzlei

2015-2021: Juniorprofessur für Zivilrecht an der Bucerius Law School

2021: Habilitation („Rechtsgebietsübergreifende Normenkollisionen – Ein Ansatz auf der Schnittstelle von Zivil- und Sozialversicherungsrecht“)

seit Mai 2021: Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius Law School



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