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Kanzleien hinken anderen Professional Service Firms als Arbeitgeber hinterher – moderne Arbeitskultur kann bei der Aufholjagd helfen

Sebastian Naber zur Arbeitskultur und Möglichkeiten ihrer Modernisierung in Kanzleien



Jurist:innen gelten als strukturkonservativ. Oft zu Unrecht, aber wenn es um Kanzleien als Arbeitgeber geht, ist etwas dran, gerade im Vergleich zu anderen Professional Service Firms. Flexible Arbeitszeit- und -ortmodelle, zeitgemäße IT, ausgefeilte Review-Systeme, umfangreiche und passgenaue Personalentwicklung und Ehemaligen-Netzwerke – das können viele Unternehmensberatungen, Werbeagenturen und WP-Gesellschaften besser.

 

Gerade in alteingesessenen Kanzleien fallen noch viele Bemühungen schwer, den Arbeitsalltag zu modernisieren: Zwar wird viel mit Legal Tech geworben, aber es hapert schon an der Digitalisierung alltäglicher Arbeitsprozesse. Nur selten gibt es strukturiertes Feedback. Partner (hier: ohne Grund zu gendern) beharren auf ihre Eckbüros und Mitarbeiter:innen-Hofstaaten in permanenter Büropräsenz. Ausscheidende Kolleg:innen gelten schnell als Abtrünnige. Diskussionen werden zu oft über Dresscodes und Billable-Hours-Vorgaben und zu selten über die Wertschätzung für tolle Arbeit geführt.

 

Doch gibt es auch außerhalb von Kanzleien noch viel zu verbessern: Mitarbeiter:innen in allen Professional Service Firms klagen etwa über zu hohe Arbeitsbelastung, raues Klima und begrenzte Aufstiegschancen. Und alle Bemühungen von Arbeitgebern folgen allein der Erkenntnis: Hochkarätiger Nachwuchs wächst nicht auf Bäumen. Der hohe Aufwand für Recruiting, Equipment, Training und Retention adressiert handfeste unternehmerische Interessen.

 

Dem steht das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter:innen gegenüber: Niemand möchte bloß als teuer einzukaufende und pflegeintensive “Ressource” wahrgenommen werden. Warum fokussieren sich Arbeitgeber dann so sehr auf kurzfristige Personalstrategien, in denen alle Instrumente nichts weiter sind als Mittel zum wirtschaftlichen Zweck? Wer dagegen eine moderne Arbeitskultur stärker als übergeordnetes gesellschaftliches Ideal begreift, wird die Nase vorn haben. Auch (Arbeits-)Culture eats (Personal-)Strategy for Breakfast.


Sebastian Naber ist Alumnus des Jahrgangs 2000 und ist Partner in der Kanzlei Neuwerk. Außerdem ist er der Gründungspräsident des Bucerius Alumni e.V.


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