Im Gespräch mit Professor Veil und Professor Saliger
Herr Professor Veil, Herr Professor Saliger: Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Heimatstadt München? Haben Sie vielleicht sogar schon einen neuen Lieblingsort?
Saliger: Mir geht es hier sehr gut, ich bin ja jetzt schon über zwei Jahre hier. München ist eine interessante Stadt. Sie bietet unglaublich viele Möglichkeiten in vielen Bereichen, egal, ob es Kunst, Kultur, Kulinarik oder Architektur ist. Es ist einfach eine Großstadt, eine Weltstadt.
Veil: So richtig viel Zeit hatte ich hier ja noch nicht, einen Lieblingsort habe ich also auch noch nicht. Für späte Nachtstunden ist die Schumann's Bar ganz wunderbar, glaube ich.
Und wie empfinden Sie diese vermeintlich etwas abgeschlossene „Mia san mia“-Gesellschaft? Sind Sie Teil davon geworden?
Veil: Diese Kultur begeistert mich irgendwie nicht so. Ich war dieses Jahr auch nur einmal auf der Wiesn, und das, um alte Hamburger Freunde zu treffen: Professor Jacobs und seine Doktoranden, das war eine tolle Sause. Eine Lederhose habe ich auch nicht. Das kommt wohl auch nicht mehr. Auch, wenn der Jacobs alles dafür geben würde.
Saliger: Ich kann auch nicht sagen, Teil davon geworden zu sein. Meine engen Kontakte sind aber größtenteils auch frühere Freunde, die wenn überhaupt ebenfalls zugezogen sind. Ansonsten beschränkt es sich bislang eher auf das Professionelle. So wirklich hermetisch abgeschlossen nehme ich es aber gar nicht wahr.
Wie war es an der LMU – sind Sie dort gut angekommen? Es ist ja eine viel weitläufigere Uni mit längeren Wegen. Merkt man das auch im Alltag?
Veil: Ja, das ist in der Tat eine total neue Erfahrung. Nach 14 Jahren Bucerius – überschaubar und schnell zu erkunden – ist das hier eine große neue Welt. Früher traf man sich zwangsläufig, auf dem Weg zur Teeküche musste man immer an Thorn vorbei (lacht). Aber auch sonst ist an der Bucerius toll, dass man jederzeit zum Telefon greifen konnte und auf Fragen im Strafrecht oder im öffentlichen Recht immer gleich eine Antwort bekam. Das geht hier auch, aber erst dann, wenn man sich kennengelernt hat. Man macht hier Vorstellungsbesuche bei den Kollegen, wenn man neu ist, aber das sind über 30 – das dauert.
Saliger: Die juristische Fakultät ist doppelt so groß und auch relativ zersplittert. Allein die Säule Strafrecht befindet sich in drei Gebäuden. Das ist aber gar kein Problem, man trifft sich dann, wenn man gemeinsame Themen zu besprechen hat. Dass man Kontakt schnell und unproblematisch herstellen kann, hat sich überhaupt nicht verändert. Es gibt sowieso auch Laufwege, wo sich alle treffen, die U-Bahn zum Beispiel. Man kann hier direkt von der Bahn in diesen Gebäudekomplex kommen, ohne nass zu werden. Das ist nicht schlecht – in Hamburg ist es mir nie gelungen, vom Dammtor bis zur Bucerius nicht nass zu werden.
Abgesehen von der Größe des Kollegiums, was hat sich bei der Lehre verändert?
Saliger: Hier fangen bis zu 1.000 Studierende zum Wintersemester an. Strafrecht beginnt im dritten Semester und ist dann natürlich eine große Veranstaltung, die ich mir mit einem Kollegen teile. Da sitzen dann ein paar hundert Leute drin. Ein Unterschied ist das für mich aber eigentlich nicht.
Veil: Ich unterrichte hauptsächlich im Schwerpunktbereich: in Hamburg vor 15 bis 20 Studenten, hier vor 40 bis 50. Da ist der Unterschied auch nicht so groß. In den Grundkursen mit Hunderten von Leuten war ich bislang noch kaum unterwegs. Ich biete jetzt in diesem Semester gesetzliche Schuldverhältnisse an, das fand vergangene Woche zum ersten Mal statt. Proppenvoller Hörsaal und 150 Studenten, die auf dem Boden sitzen oder stehen – fand ich aber spannend. Da brennt die Luft im Hörsaal!
Saliger: Gleichzeitig ist in einer solchen Massenvorlesung natürlich die Erwartung eine andere. Viele wollen eher konsumieren, berieselt werden und sich selbst wenig einbringen mit Beiträgen. Das ist ein Punkt, den ich versuche aufzubrechen. Einfach, weil ich es für wichtig halte, dass die Leute sprechen, argumentieren lernen und mitdenken, um ein noch intensiveres Lernerlebnis zu haben. Natürlich gibt es aber Grenzen, auch räumlich. Wenn jemand 50 Meter von mir entfernt irgendwo oben links sitzt, dann ist mir schon klar, dass der nicht an aktiver Mitarbeit interessiert ist.
Veil: Ja, Fragen stellen, diktieren, das kann man natürlich nur ansatzweise machen bei einer Veranstaltung mit 150 Studenten. Die haben hier generell eine größere Scheu als in Hamburg. Eine typische Bucerius-Studentin oder ein typischer Bucerius-Student liebt es, sich zu melden, sich zu engagieren. Das ist hier anders. Vielleicht ist es der Respekt, aber die Teilnehmer kennen sich ja auch häufig untereinander gar nicht. Es ist eine deutlich anonymere Situation und da fällt es manchen dann doch schwerer, sich zu melden. Wobei ich auch beobachtet habe, dass es im Laufe des Semesters immer einfacher wird.
Wie wirkt sich das neue Arbeitsumfeld auf Ihre Arbeit aus?
Veil: Es ist auf jeden Fall deutlich einfacher, beispielsweise mit einem Ökonomen zu sprechen. Einige Settings sind extra für den Austausch gedacht, etwa das Center for Advanced Studies. Aber es sind auch schon konkrete Projekte geplant. Im Kontext meiner Berufung habe ich insbesondere mit Professor Habersack und Professor Grigoleit gesprochen. Wir haben beschlossen, zu kooperieren, und haben auch ein entsprechendes Institut gegründet: das Munich Center for Capital Markets Law. Wir schauen aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Themen: Grigoleit besonders aus der Privatrechtstheorie, Hafersack mehr aus der unternehmensrechtlichen Perspektive und ich vielleicht insbesondere aus der europäischen. Wir wollen gemeinsam an größeren Projekten arbeiten, aber auch den Austausch mit der Praxis fördern. Das ist deswegen spannend, weil in München eine ganze Reihe von DAX- und MDAX-Unternehme sind. Gleichzeitig gibt es auch eine Beratungsindustrie vor Ort, die noch stärker als in Hamburg an kapitalmarktrechtlichen Themen interessiert ist.
Saliger: Es ist natürlich viel leichter, institutionelle Sachen zu veranstalten. Hier gibt es zum Beispiel das Münchner Kompetenzzentrum Ethik. Die machen medizinische, ethische und philosophische Veranstaltungen und da bin ich jetzt auch Mitglied. So große Kooperationen und Veranstaltungen sind an der Bucerius natürlich nicht möglich.
Klar, das geht nicht bei einer kleinen und familiären Universität.
Saliger: Immerhin ist die Law School eine sehr erfolgreiche Privatuni der Juristerei. Die EBS tut sich da sehr, sehr schwer. Ich habe dort mal einen Vortrag gehalten und sie etwas kennengelernt. Man sieht dann, dass die Bucerius eigentlich ein Vorbild ist für die EBS.
Veil: Ja, die Hochschulleitung und die ZEIT-Stiftung sollten sich vergegenwärtigen, dass das eine riesige Errungenschaft ist, was man da aufgebaut hat. Diese Vertrautheit und Gemeinschaft der Lehrenden, Studierenden und Forschenden, das ist wirklich etwas Tolles. Darauf darf die Hochschule sehr stolz sein.
Wobei die Größe der Bucerius ja auch Nachteile hat.
Veil: Wegen der familiären Atmosphäre kochen Stimmungen schnell hoch und es werden dann wenig ertragreiche Debatten geführt. Langzeitdiskussionen über die Verschiebung irgendwelcher Anmeldefristen zum Schwerpunkt gibt es hier nicht. Das vermisse ich auch nicht. Ein bisschen Ruhe und Gelassenheit würde in Hamburg hin und wieder nicht schaden.
Saliger: Sachen kochen auch deshalb so extrem auf, weil das eben eine besondere Klientel ist. Dass empörte Mails rumgeschickt werden über einen Verteiler an alle und dann an alle geantwortet wird, das gibt es hier überhaupt nicht. Ich finde das entspannend, denn muss ich das wirklich mitbekommen? Stellen Sie sich das mal vor: Hier gibt es allein 1.000 Studierende pro Semester. Wenn es da eine gesellschaftliche Kommunikationsebene gäbe, könnten Sie Ihr E-Mail-Konto ja schließen. Ich kann verstehen, wenn Leute denken, das gehöre in so einer Community einfach dazu. Aber ich vermisse das nicht.
Abschließend noch ein Blick zurück auf Ihre Zeit in Hamburg: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag an der Bucerius?
Saliger: Ich erinnere mich insgesamt an die Zeit sehr positiv. Vor allem an die fordernden Studierenden. An staatlichen Universitäten ist man etwas anders eingestellt. Es ist ja auch etwas völlig anderes, wenn ich sehr viel Geld bezahle und eine Kundenerwartung ausbilden kann gegenüber den Lehrenden, als wenn ich einfach froh bin, zum Studium an einer Universität zugelassen worden zu sein, die vielleicht sogar meine Erstwahl war, und dementsprechend dankbar bin für Lehrende, die sich engagieren. Es war eine Lehre, sich an der Bucerius zu bewähren, und man macht Erfahrungen, die man in weniger fordernden Kontexten dann gut nutzen kann. Eine gewisse Studentenorientierung nehme ich überall mit hin. Ich beantworte auch hier die Mails der Studierenden selber und ignoriere sie nicht oder leite sie einfach weiter. Da bleibe ich durch die BLS-Zeit geprägt. Ich finde es auch modern und richtig, dass ein Hochschullehrer zugänglich ist für die Studierenden.
Veil: Ich erinnere mich vor allem ans Vorsingen. Irgendetwas war mit dem Computer und die komplette Technik ist zusammengebrochen. Ich habe über Garantien im Kaufrecht referiert und es ist wirklich furchtbar schiefgegangen, aber ich muss auch irgendwie sympathisch rübergekommen sein (lacht)! Sehr gut erinnere ich mich auch an die ersten Semester – das war echte Aufbauarbeit, die wir da betrieben haben; eine ganz besondere Zeit. Am Ende des Trimesters haben wir immer zusammengesessen, eine Flasche Sekt geköpft, zurückgeblickt und gefeiert. Daran erinnere ich mich, genauso wie an legendäre Klausurtagungen mit AC/DC, Discobesuchen und Stangentanz mit Herrn Pünder.
Constantin Glaesner (Jg. 2012)
Antonia von Treuenfeld (Jg. 2012)
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